Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe

Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe,
 
Abkürzung RGW, russisch Sowjẹt Ekonomịtscheskoj Wsaimopọmoschtschi, Abkürzung SEW, englisch Council for Mutual Economic Assistance ['kaʊnsl fɔː 'mjuːtjʊəl iːkə'nɔmɪk ə'sɪstəns], Abkürzung CMEA, inoffiziell auch CỌMECON, 1949-91 bestehende internationale Wirtschaftsorganisation kommunistischer Staaten; bezweckte die wirtschaftliche Integration der Mitgliedländer auf der Basis der Koordination der nationalen Volkswirtschaftspläne sowie der Spezialisierung und Kooperation der industriellen Produktion im Rahmen einer internationalen Arbeitsteilung der beteiligten Volkswirtschaften.
 
Der RGW (mit Sitz in Moskau) entstand am 25. 1. 1949. Gründungsmitglieder waren die UdSSR, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien; weitere Mitglieder wurden Albanien (seit 23. 2. 1949, nahm seit 1961 nicht mehr an der Arbeit teil), die DDR (am 29. 9. 1950; 1990 Mitarbeit beendet), die Mongolische Volksrepublik (1962), Kuba (1972), Vietnam (1978). Jugoslawien beteiligte sich seit 1964 auf der Grundlage eines Assoziierungsvertrages auf bestimmten Gebieten an der Arbeit des RGW. China nahm seit 1966 seinen Beobachterstatus nicht mehr wahr. Rahmenabkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit bestanden mit Finnland (1973), Irak, Mexiko (1975), Nicaragua (1984), Moçambique (1985), Angola, Äthiopien, der Demokratischen Volksrepublik Jemen (1986) und Afghanistan (1987). In der UNO wurde dem RGW 1974 der Beobachterstatus eingeräumt; 1988 kam es zur Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen RGW und EG.
 
 
Höchstes Organ war formell die Ratstagung (zusammengesetzt aus Regierungsvertretern der Mitgliedländer). Jedoch fungierte bis 1989 - obwohl nichtoffizielles Organ - als eine Art oberster Richtlinieninstanz ein Gremium der kommunistischen Parteiführer der RGW-Staaten. Das Exekutivkomitee war als Hauptvollzugsorgan des RGW zuständig für Plankoordinierung und Kooperation der Produktion sowie für die Prüfung der Vorlagen anderer RGW-Organe. Die ihm unterstellten Ständigen Kommissionen (zuletzt 22) waren in erster Linie technische Arbeitsgremien (Expertengremien) zur Vorbereitung und Abwicklung wirtschaftlicher Beschlüsse. Es gab Kommissionen mit allgemeinen Aufgaben (z. B. für Außenhandel) und nach Branchen gebildete Fachkommissionen. Das Sekretariat, ebenfalls dem Exekutivkomitee unterstellt, arbeitete Wirtschaftsanalysen über die Entwicklung der einzelnen Produktionszweige aus; ihm oblag ferner die Kontrolle über die Erfüllung der in den Ratsorganen angenommenen Empfehlungen. Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs erfolgte über die Internationale Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit (gegründet 1963) mithilfe eines nicht frei konvertierbaren Transferrubels; der Finanzierung gemeinsamer Investitionsprojekte diente die Internationale Investitionsbank (gegründet 1970, beide mit Sitz in Moskau).
 
Die paritätisch zusammengesetzten RGW-Organe waren keine supranationale Behörden mit übergeordneter Entscheidungsfunktion; ihre Beschlüsse mit empfehlendem Charakter wurden erst nach Bestätigung durch die nationalen Instanzen wirksam.
 
Ziele, Entwicklung:
 
Der RGW entstand, nachdem die UdSSR und die von ihr abhängigen Ostblockstaaten die angebotene Marshallplanhilfe 1948 abgelehnt hatten, und betrachtete sich als Gegenstück zur OEEC (heute OECD) und zu den Integrationsprozessen in Westeuropa (EWG, EFTA). Ursprünglich war der RGW ausgerichtet auf die Verwirklichung einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit seiner Mitgliedländer, verbunden mit dem Austausch wirtschaftlicher Erfahrungen und der Gewährung gegenseitiger technischer Unterstützung. Nach Gründung der EWG wurde er immer stärker als östliches Gegenmodell konzipiert: Ein »Komplexprogramm« für die weitere Vertiefung und Vervollkommnung der Zusammenarbeit der RGW-Staaten (1971 angenommen) sah die völlige ökonomische Integration innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren vor. Zugleich sollte der Lebensstandard der Bevölkerung gesteigert, eine Angleichung des unterschiedlichen ökonomischen Niveaus verwirklicht, eine führende Position in der Weltwirtschaft erreicht und eine starke ökonomische Basis für den Warschauer Pakt geschaffen werden.
 
Die Ergebnisse der RGW-Integration blieben bescheiden. Die beträchtlichen Unterschiede in Wirtschaftsstruktur und Entwicklungsstand der nationalen Volkswirtschaften, aber auch das Beharren der einzelnen Mitgliedstaaten auf ihrer nationalen Souveränität (nicht zuletzt als Folge der von einigen RGW-Staaten als bedrohlich empfundenen ökonomischen und politischen Vormachtstellung der UdSSR) führten dazu, dass eine überstaatliche Planung im RGW von den Mitgliedländern abgelehnt wurde. Auch die Koordinierung der Volkswirtschaftspläne blieb unvollkommen. Beschlüsse des RGW wurden meist nur zögernd verwirklicht. Der Außenhandel wurde weitgehend auf bilateraler Basis koordiniert. Ein begrenzter Nutzen ergab sich z. B. beim Austausch technischer Informationen, bei der Forschungskoordinierung, beim Aufbau gemeinsamer Verbundnetze (Erdölleitungen, Verkehrswege, Elektrizitätsnetze) sowie bei gemeinsamen Großinvestitionen zur Rohstoffgewinnung. Der Warenaustausch zwischen den RGW-Staaten erreichte nur etwa 6 % des Welthandels, obwohl der Anteil der RGW-Länder am Weltsozialprodukt bei etwa 30 % lag.
 
Ende der 80er-Jahre verstärkten sich mit den zunehmenden wirtschaftlichen Problemen der Mitgliedländer auch die Krisenerscheinungen innerhalb des RGW; der politische und ökonomische Umbruch in den Staaten Mittel- und Osteuropas entzog ihm die Grundlage und führte zu seiner offiziellen Auflösung am 28. 6. 1991.

Universal-Lexikon. 2012.

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